Anne Dühlmann und Lukas Keßmann stehen als Kommandeure den Nachwuchsformationen des Bürgerschützen-Vereins Freckenhorst vor. Im Interview mit dem stv. Geschäftsführer Ralf Böhmer sprechen Sie über einzigartige Dorferlebnisse, ihre Motivation zum ehrenamtlichen Engagement im Schützenverein und über Werte, die man bei jungen Erwachsenen nicht typischerweise vermutet.
Jungschützen und Formation der Damen haben zusammen fast 250 Mitglieder und stellen damit rund 20 Prozent des Gesamtvereins. Was macht Schützenwesen in Freckenhorst für junge Menschen so attraktiv?
Anne Dühlmann: Das Schützenwesen ist natürlich klar fokussiert auf unser einzigartiges Bürgerschützenfest. Wenn schon Tage im Voraus bei den unzähligen Vorbereitungen und Fahnenaktionen Schützenvorfreunde in der Luft liegt, wenn man diese unfassbare Stimmung beim Helferfest bereits vor Beginn des eigentlichen Festprogramms erlebt, wenn man bedenkt, dass dieses Fest eine der wenigen Möglichkeiten ist, wo Jung und Alt zusammen feiern – dann will man auch als junger Mensch dieses ausgelassene Dorfleben miterleben und mitgestalten.
Lukas Keßmann: Neben der tollen Stimmung ist es sicher der Zusammenhalt, der Schützenwesen hier in Freckenhorst ausmacht. Denn hier ist jeder gern gesehen und keiner wird zurück gelassen. Das „Wir“ ist in der heutigen Zeit ja schon nicht mehr der Normalzustand. In unserer von Weitläufigkeit und Individualismus geprägten Gesellschaft werden Werte wie Heimat, Zusammenhalt, Wir-Gefühl immer seltener. Und da bietet der Schützenverein eine wohltuende Ausnahme. Viele Jugendliche können ihren 18. Geburtstag kaum abwarten, weil sie dann auch Mitglied in unserem Verein werden können.
Ihr seid beide in jungen Jahren eingetreten. Was hat euch persönlich dazu gebracht? Bekommt man Schützenblut in die Wiege gelegt?
Lukas Keßmann: Ich konnte schon als Kind in der Nacht vor dem Kinderkönigsschießen nicht schlafen. Leider hat das nie geklappt. Als ich dann 2011 im Jubiläumsjahr erster Jugendkönig des Vereins wurde, war aber klar, dass ich 2012 auch zu den Jungschützen gehe. Natürlich haben das Vorstandsengagement meines Vaters und die 3 Jahre, in denen meine Eltern zu Throngesellschaft gehörten, uns Kinder schützenmäßig geprägt. Das ist zwar ein tolles Gefühl, mit so viel Schützenbegeisterung aufzuwachsen, aber es gibt auch viele junge Erwachsene, die ohne dieses Erbgut grün-weißes Blut in den Adern haben.
Anne Dühlmann: Wenn der Vater König, der eine Großvater langjähriges Vorstandsmitglied in Freckenhorst und der andere Opa sogar Kaiser in Hoetmar war, dann kann man sicher von familiärer Vorbelastung sprechen. Als Kind habe ich aber nie einen Gedanken an eine Schützenmitgliedschaft verschwendet, war das doch für ein Mädchen ganz weit weg. Über meine Freundinnen habe ich dann in Hoetmar Schützenluft geschnuppert. Und spätestens als mein Vater 2011 Schützenkönig in Freckenhorst wurde, war mir klar, dass ich diese intensive Fröhlichkeit auch als Mitglied miterleben wollte. Aus dem Ziel, dieses Gefühl der Schützengemeinschaft auch den Frauen zu ermöglichen, ist dann bald die Formation der Damen entstanden – und die Dynamik war kaum noch aufzuhalten.
Was ratet ihr jungen Einsteigern in den Schützenverein?
Lukas Keßmann: Weiße Hose und weißes Hemd besorgen, losgehen und sich mitziehen lassen. Der Rest kommt ganz von alleine.
Braucht es eine ganz Clique, die eintritt? Oder sind auch einzelne Neue bei euch willkommen?
Anne Dühlmann: Natürlich ist in der Gruppe das Neue immer einfacher. Aber gerade für den Einzelnen ist das Schützenwesen ja so attraktiv. Ich habe noch nie in so kurzer Zeit so viele unterschiedliche Menschen kennengelernt, wie hier im Schützenverein. Viele haben auch in der Schützengemeinschaft ihren Freundeskreis erst gefunden. Insofern ist der Einzelne nicht nur willkommen. Das Dabeisein ist für ihn auch eine große Chance. Darum empfehle ich auch jedem Neubürger egal welchen Alters die Mitgliedschaft im Bürgerschützen-Verein.
Die Jungschützen feiern im Jahr 2020 bereits das 50-jährige Bestehen. Ist die Formation dennoch „jung“?
Lukas Keßmann: Ja, allein schon durch die Altersgrenze von 28 Jahren. Aber im Ernst: Wir haben viele Rituale früherer Jungschützengenerationen übernommen und diese durch unser Lebensgefühl, unsere Art zu feiern immer wieder modernisiert. So geben auch wir innerhalb unserer Formation Traditionen Zukunft.
Sind die Planungen zum Jubiläum noch geheim?
Lukas Keßmann: Wir sind derzeit mitten in den Planungen und können deshalb auch noch nichts Konkretes verraten. Nur so viel: Wir laden alle aktiven und ehemaligen Jungschützen zum Mitwirken ein. Dass dieses Ansinnen viel Interesse bei gestandenen Schützen weckt, zeigt doch, dass man die Zeit bei den Jungschützen ein Leben lang im Herzen trägt.
Insbesondere bei den Jungschützen kursieren Gerüchte über wilde Aufnahmerituale. Was stimmt davon?
Lukas Keßmann: Bei uns wird jedes Neumitglied getauft. Diese Taufe am Schützenfestsamstag ist traditionell ein feucht-fröhliches Ereignis und ein ganz intensives Spaß-Erlebnis, das Zusammenhalt und Wir-Gefühl fördert. Wenn Jungs quasi unter sich feiern, kann es schon einmal hoch her gehen. Aber wie es oft mit Gerüchten ist: Zieht man die Hälfte ab, kommt man der Wahrheit näher.
Anne Dühlmann: Auch wir zelebrieren am Schützenfestsamstag unseren Formationsnachmittag. In dem Rahmen nehmen wir unsere „Neuen“ in die Gemeinschaft auf. Und sie können mitfeiern und den Tag genießen ohne dabei konkrete Aufgaben zu haben.
Die Formation der Damen besteht bei weitem nicht so lange wie die Jungschützen, hat aber auch bereits die 100-Mitglieder-Grenze erreicht. Woher rührt diese Erfolgsgeschichte?
Anne Dühlmann: Da kamen 2012 sicher viele Faktoren zusammen. Es waren nach dem tollen Jubiläum sicher der richtige Zeitpunkt und auch die richtige Generation junger Frauen, diese Initiative zu starten. Und wir sind auf die passende Struktur gestoßen. Denn unser Vorstand war und ist offen für Neues und hat den Mut zur behutsamen Veränderung. So kam es, dass wir gleich im ersten Jahr mit 35 jungen Frauen gestartet sind. Diesen Rückenwind, gepaart mit dem sympathischen Gesamtauftritt unserer Formation, haben wir natürlich gern genutzt. Darum passt diese Formation so gut zu Freckenhorst und so perfekt in diesen Verein.
Jungschützen und Formation der Damen können doch langfristig nur gemeinsam erfolgreich sein, oder?
Anne Dühlmann: Ein klares Ja. Die Rivalität unserer Formationen macht das Fest doch auch für alle interessanter und sorgt für positive Stimmung. Aber am Ende verfolgen wir den gleichen Schützenfestgeist, pflegen die gleichen Traditionen. Man kann es auf einen Nenner bringen: Wir feiern tagsüber getrennt, sind aber abends eine Mannschaft.
Lukas Keßmann: Das sieht man zum Beispiel an der abendlichen Polonaise, die dank unserer Formationen in den letzten Jahren deutlich an Teilnehmern gewonnen hat. Und auch an unserer aktuellen Throngesellschaft aus Mitgliedern von Jungschützen, Ehrengarde und Formation der Damen. Darum haben wir auch mit allen drei Formationen anlässlich des Königsballs erstmalig einen gemeinsamen Programmpunkt gestaltet.
Wie groß ist für euch persönlich der Reiz, einmal König oder Königin des Gesamtvereins zu werden?
Anne Dühlmann: Ich schieß‘ den Vogel ab. Irgendwann. Ganz sicher. Ich glaube, dieses Gefühl ist unschlagbar und die damit verbundenen Erlebnisse in einem Thronjahr unvergesslich. Das habe ich bei meinen Eltern so erlebt und das berichten alle Könige der letzten Jahre. Und das will ich auch. In diesem Jahr Königin unserer Formation zu sein, ist da schon mal ein kleiner Vorgeschmack.
Lukas Keßmann: In den Gedanken habe ich mich schon von klein auf reingesteigert und ich habe heute den unbedingten Willen, einmal König zu werden. Und (schmunzelnd) vielleicht klappt’s ja auch eher als bei meinem Vater.
Wo wünscht ihr als junge Mitglieder euch den Bürgerschützen-Verein in 20 Jahren?
Anne Dühlmann: Ich wünsche mir, dass der Verein weiterhin offen ist für gute Ideen. Dass junge Menschen hier den Freiraum haben, sich zu entfalten. Dass es weiter gelingt, Traditionen Zukunft zu geben, dabei bunt und vielfältig zu sein und Unvorhergesehenes auch auszuhalten. Dann hoffe ich, dass die Formation der Damen in 20 Jahren ihr Silberjubiläum ein großem Rahmen gefeiert hat und ein stabiler Pfeiler eines grundsoliden Vereinslebens ist.
Lukas Keßmann: Ich hoffe, dass es uns gelungen sein wird, die Geschichte des Bürgerschützen-Vereins lebhaft zu halten. Bei allem Spaß am Feiern machen doch auch eine Portion Ernsthaftigkeit und das hohe Niveau diesen Verein aus. Heimatverbundenheit und Wir-Gefühl werden für viele Menschen wieder wichtiger. Ich wünsche mir, dass der Bürgerschützen-Verein dazu weiter den Rahmen bieten kann.