Interview mit den ehemaligen Vorstandsmitgliedern Ralf Bolte und Alfons Keßmann
Mit dem Ausscheiden von Ralf Bolte und Alfons Keßmann verlor der Schützenvorstand im Frühjahr sage und schreibe 47 Jahre Vorstandserfahrung. Im Gespräch mit dem stv. Geschäftsführer Ralf Böhmer blicken die beiden auf ihre Amtszeit zurück und wagen einen Blick nach vorn.
Mit euch verlassen 47 Jahre Vorstandserfahrung das Führungsgremium des Bürgerschützen-Vereins. Ist der Verein gut für die Zukunft aufgestellt?
Ralf Bolte: Eindeutig ja. Denn hier wird absolut professionell und strukturiert gearbeitet. Die junge Vorstandsmannschaft macht sich viele Gedanken um das hier und jetzt, hinterfragt sich aber auch ständig mit Blick auf die Zukunft.
Alfons Keßmann: Dass wir keine Angst vor der Zukunft haben müssen, sieht man an den Jugendlichen, die in den Verein strömen. Die Jugend genießt im Schützenverein das Besondere. Wo sonst kann man heute noch diese Gemeinschaft genießen, regelmäßig solche Festbälle erleben und derart elegant feiern?
Ihr habt unterschiedliche Präsidenten erlebt: Wie hat sich in all den Jahren die Zusammenarbeit im Vorstand verändert?
Ralf Bolte: Es ist insgesamt etwas geschäftsmäßiger geworden. Das liegt aber auch an den viel strengeren Auflagen, denen man sich inzwischen als Verein gegenüber sieht. Wurden früher zum Beispiel nur wenige Anforderungen in Sachen Sicherheit gestellt, so haben wir für das Jubiläum ein über 100 Seiten starkes Sicherheitskonzept erstellen müssen – und diese Komplexität findet sich in vielen Bereichen. Insofern sind heute mehr Leistung und Vorarbeit nötig, um das Fest am Laufen zu halten.
Was waren in eurer jeweiligen Zuständigkeit die größten Herausforderungen?
Ralf Bolte: Ganz klar die Feierlichkeiten zum 175-jährigen Jubiläum. Als wir alle Ideen auf dem Tisch hatten, haben wir uns schon gefragt, ob wir uns da nicht zu viel vornehmen. Aber schließlich haben alle Rädchen ineinander gegriffen. Und das Ergebnis war erste Sahne – und jede Minute Engagement wert.
Alfons Keßmann: Die plötzlichen Todesfälle unserer Präsidenten Bruno Röhrs und Josef Haarmann waren auch besondere Herausforderungen. So erinnere ich mich an eine besonders emotionale Vorstandssitzung auf dem Hof Schulze Niehues, als es darum ging, nach dem Tod von Josef Haarmann in kurzer Zeit die Nachfolge in der Präsidentschaft des Bürgerschützen-Vereins zu regeln und sich als Vorstand neu zu finden.
Sind die Anforderungen an die Vorstandsmitglieder und die zu übernehmende Verantwortung über die Jahre gleich geblieben?
Alfons Keßmann: Gestern wie heute ist die zentrale Anforderung, dass man Schützenblut in den Adern haben muss. Aber die veränderte Arbeit im Vorstand mit größerer Spezialisierung beim Einzelnen führt auch dazu, dass mögliche Kandidaten klar nach einem Aufgabenprofil ausgewählt werden. Der liebe Gott in Freckenhorst muss Bürgerschütze sein, sonst wäre es nicht immer gelungen, die richtigen Personen zu gewinnen. Für ein Amt im Bürgerschützen-Verein in Betracht zu kommen, ist für die meisten immer eine große Ehre gewesen.
Was waren die schönsten Erlebnisse in eurer Vorstandszeit?
Ralf Bolte: Für mich ganz klar mein Königsschuss 2002. Die Krönung, das Fahren in der Kutsche, die Umzüge und Festbälle. Das war ein Traum…
Alfons Keßmann: Am schönsten war es, unser Jubiläumsfest erleben zu dürfen. Der Tag der Gäste war ein imposantes Fest für alle Teilnehmer, der Festakt ein Höhepunkt der Vereinsgeschichte, die Festschrift ein Alleinstellungsmerkmal, der Zapfenstreich nahe der Perfektion. Wir hatten da unglaublich viel investiert, auf unzählige Kleinigkeiten geachtet und waren am Ende selbst überwältigt vom Ergebnis.
Es gab gerade in den letzten Jahren viele Veränderungen: In den Abläufen des Festes, beim Vogelschießen, durch die Mitgliedschaft der Damen. Was waren aus eurer Sicht die prägendsten Veränderungen?
Alfons Keßmann: Zunächst einmal wird im Bürgerschützen-Verein nicht verändert um der Veränderung Willen, sondern um die Attraktivität von Verein und Fest auf diesem hohen Niveau zu halten. Sicherlich war die Entscheidung zur Öffnung des Vereins für die Frauen der richtige Schritt zur richtigen Zeit. Wenn heute, nur 5 Jahre später, unsere Formation der Damen zu einem weiteren Aushängeschild unseres Vereins geworden ist, dann spricht das für sich – und für die Damen.
Ralf Bolte: Das zeigt aber auch, dass dieser Vorstand keine Tabu-Themen kennt und immer in der Lage ist, mutige Entscheidungen zu treffen. Daneben gab es aber viele kleinere Veränderungen, die im Rückblick gar nicht mehr so auffallen. So ist zum Beispiel die Einrichtung der Soundzone im Zelt gut investiertes Geld – für die Feiernden selbst, aber auch für die Anwohner des Festplatzes.
Und: Ist Wandel wichtig für die Tradition? Oder gibt Beständigkeit Traditionen Zukunft?
Alfons Keßmann: Traditionen sind gelebter Wandel. Veränderungen schaffen Raum für zukünftige Ausrichtung und damit für den Fortbestand von Traditionen. So leben wir in Freckenhorst unser Schützenwesen, so geben wir Traditionen Zukunft.
Nun ist seit wenigen Wochen eure Vorstands-Tätigkeit beendet. Was überwiegt: Wehmut oder Dankbarkeit? Das lachende oder das weinende Auge?
Alfons Keßmann: Von beidem etwas. Insgesamt fällt es schwerer als gedacht. Im Kopf ist man noch Teil des Vorstands und fühlt sich verbunden. Den Effekt spüre ich vielleicht erst beim Schützenfest, wenn ich mit Bandelier und Gewehr antrete.
Eine letzte Frage an Alfons: Du warst Thronherr der Könige Ronny König, Georg Kesse und Norbert Dühlmann und verfügst damit über die meiste Thronerfahrung im Gesamtverein. Wann spielst du diese aus und greifst selbst nach der Königskette?
Alfons Keßmann (schmunzelnd): Bevor meine Frau Gabi Königin wird, mach ich das!